Gazetten
Lübecker Nachrichten, 21.12.2017
Lübeck Cowpunk fast aus Bautzen
Die Waltons tun am Freitag, was sie seit 1989 fast jedes Jahr zu Weihnachten tun: im Rider’s Café auftreten. Die Band aus Berlin spielt Cowpunk, also zackigen Wyatt-Earp-Rock mit Bass, Schlagzeug und Gitarre; und es hätte nicht viel gefehlt, und ihre Karriere wäre auch durch Bautzen verlaufen.
„Das ging über Tische und Bänke“: Die Waltons aus Berlin bei ihrem Konzert im Lübecker Rider’s Café im vergangenen Jahr.
Quelle: Foto: Timon Ruge
In Bautzen stand ein Gefängnis der DDR, in dem das Regime Leute wie Walter Kempowski und andere Unbequeme unterbrachte. Die Waltons aus West-Berlin standen nicht vor seinen Toren, aber sie liefen Gefahr, es zu tun. Und zwar im Sommer 1989, ein paar Monate vor dem Fall der Mauer, als sie im Osten spielten, unter falschem Namen und auch sonst sonderbaren Umständen. Die Geschichte taucht im autobiografischen Roman „Düsterbusch“ von Alexander Kühne auf, und Arte hat sie kürzlich fürs Fernsehen gefilmt.
Wie der Kontakt damals zustande gekommen ist, wissen sie heute nicht mehr so genau, sagt Gitarrist Bene Middeler. Jedenfalls sind sie rübergefahren nach Ost-Berlin und dann etwa 100 Kilometer weiter Richtung Spreewald, in einen kleine Ort namens Lugau, wo es einen Landgasthof mit Ballsaal gab. Dort sollten sie am Abend mit zwei Ostbands spielen, allerdings nicht als die Waltons, sondern getarnt als „Tina Never Had A Teddybear“. Alexander Kühne aus dem Osten hatte das Konzert mit ihnen auf den Weg gebracht, und das hätte er eigentlich gar nicht tun dürfen. „Wenn wir kontrolliert worden wären, hätte das richtig ins Auge gehen und in Bautzen enden können“, sagt Middeler. „Falsche Pässe, falscher Name, keine Spielberechtigung, Ost-Berlin widerrechtlich verlassen – wir hatten natürlich alles falsch gemacht.“
Es ist aber gutgegangen, und den etwa 500 jungen Leuten, die von überall her angereist waren, hat es schwer gefallen. „Da war die Hölle los, das ging über Tische und Bänke. Die wussten alle, dass die Waltons aus Berlin kommen.“
Und als sie jetzt vor zwei Monaten wieder in Lugau waren, um mit einem Team von Arte die Geschichte fürs Fernsehen noch einmal zu erzählen und aufzubereiten, da gab es ein Wiedersehen. Tags zuvor hatte ein Bericht in der örtlichen Zeitung gestanden, und dann guckten etwa 200 Leute beim Dreh mit Musik im alten Ballsaal vorbei, ein Großteil davon Leute von damals. „Großartig“, sagt Middeler, „ein gelungenes Happening.“ Heute Abend spielen die Waltons im Rider’s Café, Leinweberstraße 4. Beginn 21 Uhr, 20 Euro Eintritt an der Abendkasse.
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Kevelaerer Blatt Nr. 38 vom 21. September 2017
Pressemeldungen
[ruhr guide] – Konzertreview 15.12.2004
Die WALTONS sind nach ein paar Jahren Ackerbau und Viehzucht auf Alpha Centauri zurück aus der Zukunft und stehen in den Startlöchern, die Cowpunkszene von neuem gründlich aufzurollen.
[ruhr-guide] So zumindest verkündet es der Pressetext zur aktuellen Tour. Ob das auch zutrifft – das mit dem aufrollen, Alpha Centauri dagegen gilt als Fakt – erfahrt Ihr in den nächsten Zeilen. Aber zuerst mal für alle, die mit dem Namen Waltons nur die Schnarchnasen-Fernsehserie mit der kultigen Gute-Nacht-Szene verbinden: diese Waltons hier sind etwas lebhafter und waren in den 80ern ebenfalls Kult. Schnellen, druckvollen Cowpunk spielten Sie damals – und heute?
Am 15.12.04 hatten sich ca. 150 alte und neue Fans der Waltons im Bochumer Zwischenfall versammelt um ihre alten (oder neuen) Heroen mal wieder auf der Bühne zu erleben. Als erstes betraten aber die Roughnecks ebendiese und legten ein klasse Rokabilly-Psychobilly-Set vor. Dann kamen die Waltons, die übrigens schon vor 16 Jahren in derselben Kombination mit den Roughnecks die Zeche in Bochum gerockt haben. Für die Waltons war es übrigens so etwas wie ein entferntes Heimspiel, kommen sie doch ursprünglich aus Borken, auch wenn ihre Weidegründe heute in Berlin liegen.
Wie ein guter Wein werden manche Dinge anscheinend mit dem Alter immer besser – so auch die Waltons. Während das Publikum in Erfurcht erstarrt zu faul war, das Tanzbein zu schwingen, gab die Band dagegen alles. Gespielt wurden Klassiker wie der „Waltons Square“ oder das geniale „Christmastime on Waltons Mountain“ – hier sang dann das Publikum auch endlich lauthals mit. Man merkte den drei Jungs auf der Bühne ihre Spielfreude an, die Musik ist etwas härter geworden und die Songs klingen so noch druckvoller: Cowpunk vom Feinsten halt. Die Bewegungsfaulheit des Publikums muss dagegen irgendwie an der Jahreszeit liegen – schon beim ausverkauften Meteors-Konzert im Zwischenfall am 1.12.04 herrschte eher eine etwas sakrale Stimmung – an den Waltons und der (nicht nur) für Konzerte genialen Location Zwischenfall lag es sicher nicht. Wie sagte John-Boy nach dem Auftritt im Interview: „Es ist halt nicht mehr 1988…“ Trotz mangelnder Tanzfreude war das Publikum aber restlos begeistert.
Und wie sieht das typische Waltons-Publikum so aus? Schwer gemischt, könnte man sagen. Ob die Waltons auf Metall- oder reinen Psychobilly-Festivals auftreten, immer sind sie die Exoten, die nicht wirklich einer Szene zuzuordnen sind. Im Zwischenfall dominierte sicherlich die Psychoszene das Publikum. Hatte man jahrelang kaum Psychos auf den Straßen gesehen, blüht die Szene nun wieder auf. Waren einige Psychos Ende der 80er in die rechte Szene abgerutscht und sogar der KKK ließ sich mal auf Partys blicken, ist sie heute wieder zu ihren Wurzeln zurückgekehrt und unpolitisch. Wie hier bei Paris und Mayo aus Wuppertal geht’s es nun wieder darum, nach der Maloche in der Woche am Wochenende zu feiern, zu saufen und ne Menge Spaß zu haben.
Aber zurück zu den Waltons: Was hat die eigentlich vom Ackerbau auf Alpha-Centauri wieder auf die Bühnen gelockt? Nach insgesamt 6 Alpen und 2 EP’s – die letzte Platte erschien 1994 – wurden sie jetzt von ihrer neuen Agentur H&F Booking aus dem Dornröschenschlaf geküsst und wollen wieder richtig durchstarten. Seit dem 11.12 ist auch ihre neue Platte am Start: „Spirit of Cowpunk“, die allerdings erst einmal nur auf Konzerten verkauft wird. Und davon spielen sie momentan einige – seit April 04 stehen die drei wieder auf den Bühnen der Welt.
Bestimmt bald auch wieder in Ostberlin, da haben die Waltons nämlich schon vor der Maueröffnung und dem panischen Udo heimlich Konzerte unter falschem Namen gespielt und ihre Verstärker über die Grenze geschmuggelt. Hier gab es – man sollte es kaum glauben – damals schon eine richtige Szene, die ihre Konzerte heimlich plante und nur durch Mund-zu-Mund-Propaganda bekannt machte.
Wenn die neue Platte auch nur annähernd so gut ist wie das Konzert, dürfte demnächst durch die Szene zwischen Flensburg und München ein Raunen gehen: The Waltons are back!
ruhr guide (pk)
O-Ton Interview
Rock’n Roll Dynamit mit John -Boy Januar 2005
+ Kurz umreißen: Band-Background.
– Es gibt uns seit ziemlich genau 20 Jahren. In dieser Zeit haben wir 8 Longplayer und 2 Ep’s veröffentlicht und ungefähr 72 Millionen Konzerte gespielt.
+ Wie kam es zur Reunion?
– Diese überaus grandiose Idee hatte Ralf Frackoviac von der h & f booking Agentur. Die haben uns testweise einmal durch Deutschland auf Tournee geschickt, waren mit dem Resultat sehr zufrieden und vertreten uns nun denn exklusiv, wie hübsch sich doch alles findet mitunter. Tatsächlich reissen sich die Jungs richtig den Arsch auf für uns, und nehmen weit über den eigentlichen Konzertveranstaltungsbetrieb ganz konkrete Managementaufgaben wahr, grossartiger Verein!
+ Hattet Ihr vorher schon mit dem Gedanken gespielt, wieder anzufangen?
– Gespielt schon, waren aber, nachdem ein komplett eingespieltes Album nie veröffentlicht worden ist, etwas in der Resignation versunken. Da hatte es Stress mit der Plattenfirma gegeben., aber Scheiss drauf, life goes on!
+ Neue Gesichter?
– Janni – Boy ist glaub ich mittlerweile der siebte Drummer, das war schon eine Spinal Tap – mässige Fluktuation, aber Schlagzeuger sind wohl eh alle verrückt, Hatto – Jay ist der zweite Bassist, und hält sich wacker seit 8 Jahren.
+ Wart Ihr zwischendurch in anderen Bands aktiv?
– Wir haben uns 1997 mal in „Gang of Wrath“ umbenannt, und mit den Berliner Symphonikern ein von uns komponiertes Requiem, also eine Totenmesse, für Band, Chor und Orchester in der Berliner Philharmonie aufgeführt. Das war schon ziemlich atemberaubend, wir hatten da echt Karajans Backstage usw. allerdings hat uns die ganze Aktion volle zwei Jahre gekostet. Ansonsten hat es so spektakulär viel andere Aktivitäten nicht gegeben, erwähnenswert ist vielleicht noch, dass unser erster Drummer Jim – Bob mittlerweile als Jaques Palminger sehr erfolgreich mit Studio Braun aktiv ist, das ist so eine Art Comedytruppe und die ziehen in Hamburg über 1000 Leute, wenn die auftreten, alle Achtung, alter Kollege!
+Hattet Ihr in Euren Schubladen noch Songs schlummern, die auf eine Veröffentlichung gewartet haben oder habt Ihr alle Songs nach der Reunion geschrieben?
– Die sind alle nach der sogenannten Reunion, aufgelöst hatten wir uns tatsächlich nie, entstanden. Ich glaub auch nicht, dass man songs jahrelang unveröffentlicht aufbewahren kann, und die werden dann immer besser wie französischer Rotwein oder so, im Gegenteil, die werden mit der Zeit immer beknackter, und ich würde heute sowieso alles anders machen, aber den Musiker oder Produzenten, der im Nachhinein wirklich mit einer Platte 1000%ig zufrieden ist, gibt’s wohl auch nicht.
+ Wie lange habt Ihr an dem neuen Album geschrieben?
– Weiss ich jetzt auch nicht mehr so genau, ein paar Monate ungefähr. Blöd oder faszinierend ist dabei immer, dass die Inspiration kommt, wie sie will, das kann man echt nicht zwingen, und meistens kommt sie auf der Autobahn oder im Sessellift oder ähnlich praktischen Situationen, wo man auch immer so viele Gitarren dabei hat, um alles sofort umsetzen zu können. Ich hab immer tausend kleine Zettel in allen Taschen, wo irgendwelche Noten drauf stehen, und manchmal fällt mir auch wochenlang gar nix ein. Mozart konnte auf Bestellung sofort irgendwas komponieren, z.B. den „Don Giovanni“ und hat nebenbei mit seinen Kumpels gekegelt trotz Zeitdruck, das find ich einigermassen unglaublich, kann ich definitiv nicht, abgesehen davon, dass ich keinen „Don Giovanni“ komponieren kann.
+ Man munkelt, dass das neue Album „poppiger“ (blöder Ausdruck, aber mir fällt kein anderer ein *g*) ist, als die vorherigen – wie kommt´s ?
-Gegen Popmusik hab ich im Prinzip überhaupt nichts, wenn sie gut ist, also inspiriert klingt, wenn man hört, da hat jemand eine gute Idee gehabt und umgesetzt, scheissegal in welcher Stilrichtung. Es wird soviel uninspirierter Schwachsinn veröffentlicht, dass ich manchmal echt heulen könnte, wenn ich schon nur das Radio anstelle. Das gilt im besonderen auch für die oft sehr puristisch reduzierte Rockabillyszene, ewig die gleiche Leier, allerdings weiss ich nicht, ob man das in diesem Magazin drucken sollte, und natürlich gibt es auch hier phantastische Ausnahmen.
+Habt Ihr viel Rückmeldung von „alten“ Fans? Sind viele neue dazugekommen? Wie sind/waren die Reaktionen auf Euer Comeback?
-Wir haben erstaunlich viele Rückmeldungen von alten Fans, da stehen lauter supernette Einträge im guestbook auf unserer homepage, und wir sehen sie ja auch auf den Konzerten mit den alten Waltonsshirts. Dass viele neue dazugekommen sind, steht zu hoffen an, kann ich aber nicht wirklich beurteilen, vom Altersdurchschnitt hat sich meiner Ansicht nach nicht viel geändert, demzufolge müssen ja neue dazugekommen sein.
Die Reaktionen auf unser sogenanntes Comeback waren durch die Bank weg superpositiv, manchmal sogar hysterisch, so im Sinne von „mein Leben hat wieder einen Sinn“ oder sowas, und hat uns natürlich sehr gefreut, allerdings glaub ich auch nicht, dass jemand, der denkt : „Müssen diese beknackten Typen überflüssigerweise wieder Platten rausbringen und auf Tour gehen?“ mir unbedingt eine e – mail schreiben würde.
+ Was sind Eure Pläne für 2005?
– Sex, Drugs & Rock’n Roll!
+ Wird es eine weitere Tour geben? Wo werdet Ihr hauptsächlich zu finden sein?
– Es wird weitere Tourneen geben, die dates stehen bei www.h&fbooking.de oder auf unserer hp www.waltons-berlin.de und wir sind irgendwie überall im Land, weiss ich jetzt aber auch nicht so genau, wann und wo, in jedem Fall geht es in diesem Jahr auch ins Ausland, und wie’s ausschaut sogar nach Japan, cool oder?
Herr Dynamite, ich danke für das Gespräch.
Rock’n’Roll Dynamite 01/2005
Waltons „The Spirit of Cowpunk“
Part Records
Part CD 663.001 – CD
Die Waltons sind zurück. Nach 10 Jahren Pause kommt hier ohne
Vorwarnung eine neue Country – Rock Granate aus Berlin.
16 frische Tracks präsentieren sie hier voll Witz, Charme
und jede Menge Spass.
Natürlich haben John – Boy und seine Brüder nicht umgesattelt,
The Spirit of Cowpunk ist die logische Fortführung des Weges,
den sie mit „Truck me harder“ einst beschritten haben.
Eingängige Songs, Refains, die sich unmittelbar im Gehörgang
festsetzen, und natürlich die typischen Countrymelodien
machen die Scheibe wirklich zu einem absoluten Partykracher.
Mich freut es, dass die Waltons wieder zurück sind, und ich
freue mich auf eine hoffentlich stattfindende Tour.
Mein Tip : Kaufen und abfeiern.
KH
Scarred For Life Musikreviews vom 31.01.2005
THE WALTONS – The Spirit Of Cowpunk
Yiihhaaa! Die besten Cowpunks Deutschlands sind endlich aus den unendlichen Weiten der Steppe zurückgekehrt und haben uns noch dazu eine grandiose Platte mitgebracht. Schon die Livekonzerte im Jahr 2004 deuteten an, dass die Waltons wieder ganz oben auf sind, und „The Spirit Of Cowpunk“ wird nun auch die letzten Zweifler zum Schweigen bringen.
Nach einem stimmungsvollen Intro greifen die drei Cowboys mit dem genialen „Lost, Found And Prison Bound“ gleich in die Vollen und legen mit „The Waltons Have Been Here“ solide nach. Eins gleich vorweg: Füller werdet ihr auf dieser Platte nicht finden, statt dessen gibt es erstklassige Hits in rauen Mengen. Die Band hat sich beim Songwriting anscheinend eher an ihren Frühwerken orientiert und die Metal-lastigeren Scheiben neueren Datums außer Acht gelassen, was „The Spirit..“ sehr gut tut. Wer eingängige Refrains, melodiöse Solos und einprägsame Leadmelodien sucht, ist hier goldrichtig. Mit „Can´t Get You Of My Mind“, „Hear The Waltons Call“ und „Where Are We Now“ möchte ich mal nur ein paar weitere Highlights des Silberlings aufzählen. Zwar kann auch „The Spirit..“ meinen absoluten Waltons-Favoriten „Thank God For The Waltons“ nicht toppen, steht aber immerhin nahezu ebenbürtig neben dem Meilenstein.
Ein Comeback nach Maß!
Doc (Part Records)
Geschrieben von Öyster-Cult
OX-Fanzine
CD-Review 02/2005
Waltons – The Spirit of Cowpunk
Selten war ein Albumtitel mehr Programm als beim neuen album
der Waltons. „The Spirit of Cowpunk“ steht drauf, und dieser
steckt auch drin.
Bei jedem einzelnen der insgesamt 16 Songs weht einem der
raue Präriewind entgegen und lässt einen die spannenden
Abenteuer echter Männer träumen. Dafür waren die Waltons
bereits in den 80er und 90er Jahren weit über die Grenzen
Berlins hinaus bekannt.
Doch nach ihrem 94er – Album „Essential Cowboy Bullshit“
wurde es ruhig um John Boy Walton, Hatto W. Renn und
Janni-Boy Walton. Doch das schien nur die Ruhe vor dem
Sturm gewesen zu sein. Denn das Trio klingt frischer und
eingängiger als eh und je. Die Platte macht Spaß und steckt
voller Überraschungen, bleibt dabei aber immer dicht an
den Wurzeln.
Und die sind nun einmal Country – und Western-Music auf
der einen, Punk und Rock auf der anderen Seite.
Wem bei diesen Komponenten Blood on the Saddle einfallen,
liegt auch nicht weit daneben, und mit denen touren die
Waltons auch gerade durch Japan. Dann steht dem
globalen Durchmarsch der deutschen Hauptstadt -Cowboys
also nichts mehr im Wege.
(8) Autor: Abel / Ox-Fanzine.de
Warschauer Interview 2005
1.erst mal zu den alten kamellen. in den 80ern wart ihr ja eine der bekanntesten
deutschen rockabilly-bands und soweit ich weiss seit ihr dann auch als band
aus den ländlicheren gefilden (aus borken, stimmt`s? ich komm aus dülmen)
nach berlin gegangen (falls ich irgendwo falsch liege, kannst du das in den
antworten ruhig korrigieren, da ich vieles so aus der erinnerung im kopf hab).
beschreib doch mal wie dieser ortswechsel zustande kam, wie es für die
waltons in berlin weiterging etc.
Das stimmt soweit alles bis auf die Etikettierung „Rockabilly-Band“ weil wir
uns in dieser puristischen Reduktion nie gesehen haben, das gleiche gilt
für „Psychobilly“ , wo wir auch gerne mal reinkategorisiert worden sind, und
der in den 80ern zudem noch ziemlich böse und gefährlich war. Wir haben
da mal in Hamburg auf so einem Psychobilly – Festival gespielt mit so
ziemlich allen Grössen des Genres, und es war eigentlich nichts anderes als
ein Podium für Gewalt. Da kam echt ein Krankenwagen nach dem anderen,
weil die sich einfach mal gegenseitig massakriert haben im Publikum.
Die Bands stehen auf der Bühne und machen „Be-bop-a-loola“ und die
hauen sich simultan dazu die Köppe ein. Das haben wir schon damals als
eine reichlich eigenartige Vorstellung von Abendunterhaltung empfunden.
Nach Berlin kamen wir auf wirklich abenteuerliche Weise. Vor den Waltons
hiessen wir „Johannes Paul und die ewigen Zweiten“ und haben so eine Art
atonalen Punkrock mit drei Bläsern gemacht, wir drei als Priester, und die
Bläser als Messdiener, grandiose Optik, unser grosser Hit war „Mutters Titten
sind die Besten“, und von dieser Band ist ein Demo, wie auch immer, in die
Hände von Monika Döring vom Loft in Berlin gelangt. Die fand das dann so
klasse, dass sie uns auf Rias 2 ein paar mal gespielt hat, weil sie da mit
irgendwem befreundet war, und hat nachfragen lassen, wer diese Band denn
jetzt eigentlich ist. Das wiederum hat ein Kollege, der in Berlin studiert hat,
gehört und uns nach Borken kolportiert. Tollerweise gab es die Band zu dem
Zeitpunkt aber gar nicht mehr, denn wir waren schon die Waltons geworden,
und haben ja auch ganz andere Musik gemacht dann, aber das war Monika
Döring scheissegal „Ihr müsst im Loft autreten!“ So kamen wir nach Berlin.
Der Auftritt wurde dann in die Music-hall verlegt, und irgendwie hatte sich
die ganze story rumgesprochen. Bela und Farin von den Ärzten waren da,
Monika Döring natürlich, die damals in der Musikszene in Berlin eine grosse
Rolle gespielt hat, immerhin hat sie die „Ärzte“ und die „Einstürzenden
Neubauten“ entdeckt, Mabel vom Tempodrom war da, jede Menge
Szenegrössen, und unter anderem auch Andy Kessling von Vinyl-boogie ,
der uns dann genialerweise an dem Abend noch einen Plattenvertrag
angeboten hat, und für uns das Korea -Label gegründet hat, und jetzt stelle
ich gerade fest, dass, wenn ich in dem Stil weiter mache, wir morgen früh
noch hier sitzen und das ganze einigermassen wahrscheinlich den Rahmen
sprengt, also machen wir einfach mit der nächsten Frage weiter.
2.ihr habt ja in berlin auch viel mit anderen musikern zusammengearbeitet
(bela b (?), yvonne ducksworth (?)). mit welchen bands/musikern wart/seid i
hr befreundet und habt musikalisch zusammen was gemacht?
Oh Gott, die alle aufzuzählen mit all den Anekdoten, die dazu gehören,
sprengt definitiv den Rahmen. Das Spektakulärste war vielleicht die
Freundschaft und Zusammenarbeit mit Alun Francis, dem damaligen
Chefdirigenten der Berliner Symphoniker, für die wir dann ein „Requiem“
also eine Totenmesse für Band, Chor und Orchester komponiert und in
der Berliner Philharmonie uraufgeführt haben, mit Karajans Backstage
und allem, was dazu gehört, das war schon reichlich beeindruckend.
Ganz anders war zum Beispiel ein Abend in Hannover, an dem wir und
die „Toten Hosen“ aufgetreten sind, wir in so einem alternativen
Jugendzentrum, das hiess glaub ich Korn oder so um 0.00, und die Hosen
davor im Capitol um 21.00. Selbstverständlich sind wir dahin. Vorgruppe
von den Hosen waren die „Goldenen Zitronen“ und davor „Rocko Schamoni“,
also ein echt vielversprechendes Lineup, und so wurde es dann auch.
Vor „Opelgang“ hat Campino gesagt, dass man im Opel Kadett heute Abend
zu den Waltons fährt, und die kamen dann auch alle, und haben nach
unserem Auftritt schwer jenseits von gut und böse unten an der Bar
Bierflaschen auf dem Boden zertrümmert, und sich mit entblössten
Oberkörper drin gewälzt, wer im einzelnen verrat ich nicht, aber das war
auch reichlich beeindruckend.
3.in dieser zeit kamen ja auch die beiden country-metall bzw. country- oder
cow-punk scheiben „thrust of the vile“ und remain in rust“ von euch heraus.
von dieser mischung hatte ich noch nie gehört und war (und bin) begeistert.
gab es da musikalische vorbilder, irgendwelche bands, die schon country
und metall bzw. punk kombiniert hatten?
Es gab und gibt vor allem natürlich „Blood on the Saddle“, die den Cowpunk
erfunden haben, denen unser aktuelles Album auch gewidmet ist, und mit
denen wir angeblich gerade auf Japantournee sind, hab ich gerade in
einem Magazin gelesen. Definitiv werden wir mit denen touren und sind
im Kontakt, aber es muss sich noch konkretisieren. Die andere Country -Metal
oder Rock – Ikone ist „Jason & the Scorchers“ und wir haben mit Jason als
Produzent in Nashville in den USA das „Thrust of the Vile“ Album
aufgenommen, grossartiger Typ, der alte Jason, hat mir mal meinen
Anrufbeantworter vollgejodelt, weil er die Bayern so lustig findet, das hatte
schon was.
Angefangen damit hat wohl Gram Parsons, Gotthabihnselig, der hat sich
nämlich dusseligerweise an Keith Richards und den dazugehörigen Drogen
die Finger endgültig verbrannt, aber Gottsei’sgelobt doch noch die Zeit
gefunden, Emmylou Harris zu entdecken, die, wie ich finde, hübscheste
Stimme der Countrymusic, aber das führt jetzt wohl auch alles zu weit,
lez go listen to the next question.
4.nach der „some old country bullshit“ wurde es ruhig um die waltons.
hattet ihr euch aufgelöst, und wenn ja: warum? weisst du was jason
und jimbob walton heute machen?
Die Platte heisst „Essential County Bullshit“, so viel Zeit muss sein, und
aufgelöst haben wir uns nie, warum auch, wir sind doch ein grossartiges
Orchester. Aufgehalten hatten uns nur das eben beschriebene „Requiem“
undeine Produktion, die leider in Hamburg auf Eis liegt, weil es
Differenzen mit der damaligen Plattenfirma gegeben hat, aber was
soll’s? Wir sind ja wieder da.
Jason und Jim – Bob sind mir nach wie vor freundschaftlich verbunden,
wir sind ja immerhin zusammen aufgewachsen und haben eine
Menge zusammenerlebt.
Jason ist mit seiner family in München und macht einen gutbezahlten Job
bei einer Internet-Börsen-Informations- Handels- Firma oder so ähnlich,
hab ich tatsächlich bis heute nicht so recht verstanden, für den er sich
durch sein Studium qualifiziert hat.
Jim -Bob heisst heute „Jacques Palminger“ , wohnt mit seiner family
in Hamburg, und ist mit „Studio Braun“ u.a. mit „King Rocko
Schamoni“ (da schliessen sich die Kreise wieder) als Comedian sehr erfolgreich.
5.ok, 2003 u 4 hab ich euch beim fete de la musique am görlitzer park gesehen,
einmal solltet ihr im wild at heart spielen, seid aber ausgefallen. ansonsten hat
man nichts von den waltons gehört oder gesehen (ich zumindest nicht). waren
das ausnahme-gigs, gab’s euch da schon wieder richtig, waren das testläufe für
2005 oder wie oder was?
Also irgendwie hast Du es geschafft, uns regelmässig zu verpassen, aber allein
im „Wild at Heart“ waren wir danach noch dreimal, und es war jedesmal
krachendvoll und grossartig, demnächst veröffentlichen die sogar einen
Livemitschnitt von uns. Abgesehen davon waren wir in der Zeit auch in
Hamburg, München, Dresden, Feiburg, Köln, Lübeck, Frankfurt, Stuttgart,
Cottbus, Erlangen, Bochum, Hannover, fällt mir jetzt so spontan ein, und in
einigen Städten mehr, also schon präsent, ist halt nicht so recht bei Dir
angekommen, ist aber vielleicht auch nicht so wichtig. In jedem Fall waren
einige davon, wie Du richtig vermutest, Testläufe, um zu analysieren, wo wir
eigentlich stehen, und wir waren freudig überrascht, um es kurz zu machen.
6.du hast ja jetzt zwei neue mitglieder der waltons-family, die dich unterstützen
(janni-boy & ?). wer sind die, wo kommen die her, in welchen bands spielen die
noch oder haben die gespielt, wie habt ihr zueinander gefunden?
Mein lieber Alex, Du stellst Fragen, auf die man eigentlich nur mit einem
Telefonbuch an Information antworten kann. Wenn ich Dir jetzt die bewegten
Biographien meiner beiden Mitstreiter runterbeten soll, sind wir die nächsten
Wochen beschäftigt, also lassen wir das. Was die beiden aber singulär
unverwechselbar einmalig auszeichnet, ist, dass sie beide zusätzlich zu dem
Instrument, was sie ja ohnehin schon bedienen müssen, auch noch grossartig
Gitarre spielen und singen können. Wir können also jetzt mit drei
Westerngitarren uns vorn an die Bühne setzen, die Dinger spielen, und dazu
dreistimmig singen, unglaublich! und die machen es grossartig, das hatten wir
noch nie, das ist neu, und zeichnet Janni – Boy und Hatto – Jay, so heisst der
andere, einmalig aus, abgesehen davon, dass jetzt auch natürlich auch beim
normalen Programm Dreistimmigkeiten fest verankert sind.
7.ihr seid ja jetzt auch schon wieder auf tour (gewesen?). seit wann spielt ihr
wieder regelmässig, ist „the spirit of cowpunk“ die erste veröffentlichung nach
der langen pause? Wie sind die gigs/touren, was hat sich verändert, was ist
gleich geblieben?
Das hab ich glaub ich schon alles beantwortet, insofern bedanke ich mich für
das Gespräch, Herr Warschauer, und für Ihr Interesse.
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CD Kritik zu „The Spirit of Cowpunk“
im „Wahrschauer“ Nr. 50 Sommer 2005
(nach dem Interview) :
Noch kurz zur neuen Scheibe ‚The Spirit Of Cowpunk‘ :
Der geniale Cowpunk – Stil wurde verfeinert und verbessert,
die Country – Elemente sind perfekt dosiert und die Mischung macht
die Wiederauferstehung der WALTONS, die ja nie wirklich weg waren,
zu einem akustischen Hochgenuss. Die gereiften WALTONS sind die
besten, die es je gab. Glaubt es mir. Wenn Ihr diese Musikrichtung mögt,
werdet Ihr die WALTONS (weiterhin) lieben.
Yiiiha!
alex k.